Die erste Woche liegt hinter uns.
Gefühlt sind es drei Wochen voller Eindrücke, Überraschungen und Umwege gewesen –
von frostigen Nächten in Theth über holprige Straßen und dunkle Tunnel, bis hin zur Cocktailinsel in Pa Emër.
Zwei Strandtage dort – warm, ruhig, entschleunigt – haben gutgetan.
Ankommen. Durchatmen.
Doch jetzt geht’s weiter.
Nächstes Ziel: Berat.
Die Stadt der tausend Fenster – und hoffentlich auch ein paar offener Türen.
Berat – die Stadt der tausend Fenster.
Eingeklemmt zwischen Bergen und Fluss, wirkt sie wie ein Freilichtmuseum mit bewohntem Personal.
Weißgetünchte Häuser kleben an den Hängen wie Schwalbennester, die Fenster scheinen einen alle gleichzeitig anzuschauen – daher der Name.
Berat ist UNESCO-Weltkulturerbe und eine der ältesten Städte Albaniens. Schon die Illyrer siedelten hier, dann kamen Römer, Byzantiner, Osmanen – und jeder ließ etwas zurück: Kirchen, Moscheen, Burgmauern, Kopfsteinpflaster.
Oben auf dem Hügel thront die Burg – kein Ruinenfeld, sondern ein lebendiges Viertel mit kleinen Gärten, Wäscheleinen und Großmüttern auf
Plastikstühlen.
Unten fließt der Fluss Osum – manchmal ruhig, manchmal braun und aufgewühlt, wie Albanien selbst.
Unser Campingplatz in Berat: Camperstop Albania.
Neu oder zumindest sehr ordentlich – alles sauber, durchdacht, freundlich geführt.
Der Besitzer begrüßt uns herzlich, wirkt engagiert, hat einen Plan.
In ein paar Jahren, wenn die Bäume gewachsen sind und etwas mehr Schatten spenden, wird das hier sicher ein richtig schöner Platz sein.
Bis ins Zentrum sind es etwa 15 Minuten zu Fuß.
Wir entscheiden uns trotzdem fürs Auto – aus Prinzip, Bequemlichkeit oder einfach, weil’s geht.
Und siehe da: Wir finden sogar einen Parkplatz.
Und dann: ESSEN
Zum ersten Mal auf dieser Reise: authentisch.
Nicht nur die Küche, sondern auch die Speisekarte – übersichtlich, ehrlich, ohne Show.
Und der Preis? Fast schon rührend.
Für
– Gemüsesuppe
– Lasagne
– Pasta mit Fleisch und Käse
– gemischten Salat mit Oliven und Feta
– Bier, Wein, Espresso und sogar noch Kuchen
zahlen wir 16,50 Euro.
Insgesamt, nicht pro Person.
Und das Beste: Es schmeckt. Alles.
Geht doch.
Keine überteuerte Dorade, kein touristisches Theater – einfach gutes Essen zu einem fairen Preis.
Fast wie eine kleine Entschuldigung des Landes. Oder zumindest ein Lichtblick.
Wir sind versöhnt. Zumindest kulinarisch.
Die Burg
Unten am Platz steht ein Taxi, bereit. Preis: 10 Euro.
Für 5 Minuten Fahrt.
Genau in dem Moment hat ein anderes deutsches Paar die gleiche Idee.
Spontan beschließen wir, das Taxi zu teilen.
Eine logische, effiziente, vernünftige Lösung – aber leider nicht im Sinne des Taxifahrers.
Der ist sichtlich wenig begeistert.
Wir handeln. Zäh, aber mit Humor.
Am Ende zahlen wir 15 Euro – gemeinsam.
Gerhard murmelt trocken: „Das sind Banditen.“
Nicht ahnend, dass das Wort verstanden wird.
Aber: Wir schaffen es, das Ganze mit einem Lachen aufzulösen.
Ein bisschen Balkan-Diplomatie mit österreichischem Charme.
Und dann geht es den Berg hinauf – zur Burg.
Langsam, rumpelig, aber immerhin gemeinsam.
Der Ausblick entschädigt. Wie immer.
Apropos österreichischer Charme:
Beim Bezahlen der Taxifahrt zeigt sich einmal mehr die Kraft der Improvisation – wir haben kein Kleingeld und der Taxifahrer kann nicht
rausgeben.
Die anderen übernehmen – ganz unkompliziert.
Und ich sage mit einem Grinsen:
„Es hobts es eh, es Deitschn.“
Volltreffer.
Der Satz sitzt – und wird zum Running Gag des Nachmittags.
Ob beim Burgbesuch, beim Kaffee oder einfach so zwischendurch:
„Es hobts es eh, es Deitschn“
wird zur Parole, zum Eisbrecher, zur kleinen Sprachbrücke mit Humor.
Gemeinsam erkunden wir die Burg.
Weitläufig, beeindruckend, steinig und sonnendurchflutet.
Wir schlendern, schauen, fotografieren –
und landen schließlich beim Aussichtspunkt mit der albanischen Flagge.
Der Blick reicht über ganz Berat –
eine Mischung aus Postkartenmotiv und stiller Größe.
Danach: eine dringend nötige Pause.
Cola, Eistee – alles, was Zucker hat.
Wir sind kollektiv unterzuckert,
und das kühle Getränk wirkt fast wie Medizin.
Die Zeche und die Rückfahrt übernehmen wir -eh klar.
„Weil wir hab’n’s eh!“ 😄
Ein rundum gelungener Nachmittag.
Und wieder ein Moment, der bleibt.
Unten angekommen steht – natürlich – unser erster Taxifahrer.
Er erkennt uns sofort, grinst breit und ruft über den Platz:
„Banditos!“
Er har offensichtlich Humor.
Oder ein gutes Gedächtnis. Oder beides.
Nächster Tag – neues Ziel: die Osum-Schlucht.
Etwa 50 Kilometer von Berat entfernt, windet sich die Straße durch Hügellandschaft, Dörfer, Olivenhaine, bis plötzlich das Gelände aufreißt und die Felsen senkrecht abfallen.
Die Osum-Schlucht gilt als eine der spektakulärsten Natursehenswürdigkeiten Albaniens –
bis zu 80 Meter tief, stellenweise so schmal, dass kaum Licht den Grund erreicht.
Im Frühling tobt hier das Wasser, im Sommer zieht sich der Fluss zurück und gibt bizarre Gesteinsformationen, Höhlen und kleine Badeplätze frei.
Unser Plan:
zu dem Ort dort drinnen, irgendwo mitten in der Schlucht.
Eventuell übernachten.
Und: zur „Teufelsbrücke“ – Ura e Djallit,
ein Natursteinbogen, der dramatisch über das Wasser führt und wie aus einem Fantasy-Film wirkt.
Ob das alles so klappt, wissen wir nicht.
Aber das ist ja der Reiz dieser Reise: Pläne machen – und sehen, was davon übrig bleibt.
Die Stimmung kippt
Unterwegs zur Osum-Schlucht erzähle ich Gerhard beiläufig,
dass wir diesen Weg leider auch wieder zurückfahren müssen –
weil die restlichen 14 Kilometer Richtung Përmet,
unser eigentliches Ziel, für normale Fahrzeuge nicht befahrbar sind.
Das war’s.
Gerhard wirft alle Pläne über den Haufen.
„Ich will bei der nächsten Gelegenheit umdrehen – ich will ans Meer.“
Kein Widerstand, keine Diskussion.
Er hat genug vom Landesinneren. Genug von meinen Bergstraßen.
Und so kehren wir um – 20 Kilometer vor dem Ziel.
Aber: Nach 40 Jahren Ehe weiß man, wann es ernst ist.
Reiseblues in Vlora
Nun sind wir schon zwei Tage auf dem Campingplatz in Vlora bzw. etwas außerhalb
Eigentlich schön. Sonne, Meer, Palmen, ein bisschen Wind.
Und doch: Wir haben einen Hänger.
Die Energie ist weg, die Begeisterung gedämpft.
Mich nervt gerade alles ein bisschen.
Das Umfeld, die Geräusche, vielleicht sogar die Dauer des Urlaubs selbst.
Ich übe mich in Gelassenheit – oder versuche es zumindest.
Nicht alles bewerten, nicht alles kommentieren, einfach atmen.
Albanische Riviera
Nach zwei Übernachtungen geht es weiter. Die Fahrt von Vlora Richtung Himarë ist landschaftlich wirklich schön.
Küstenstraße, Kurven, Ausblicke aufs offene Meer –
ein bisschen wie die Côte d’Azur,
nur eben auf albanisch.
Das heißt:
Traumbuchten wechseln sich ab mit Bauschutt, halbfertigen Rohbauten und Wunden in der Natur.
Die Vegetation kämpft,
aber die Farben sind großartig, das Licht fantastisch, und irgendwo in diesem Kontrast liegt genau das, was diese Reise ausmacht.
Albanien versucht Riviera –
und manchmal klappt’s auch fast.
Wir haben uns für den Campingplatz Kranea am Livadhi Beach entschieden – und er ist... einfach großartig.
In jeder Hinsicht.
Perfekte Lage direkt am Meer, gepflegte Stellplätze, sauber, ruhig, und das Beste: der freundliche Besitzer und das Restaurant.
Die Atmosphäre ist entspannt, der Strand wunderschön, nicht überlaufen,
und man spürt sofort: Hier lässt es sich sein.
Kein Campingplatz zum bloßen Übernachten, sondern einer, bei dem man bleibt.
Ein Bootsausflug – der perfekte Abschluss
Nach Tagen am Meer, am Stellplatz, auf der Liege,
nach Espresso, Salzwasser, leichten Gesprächen und langen Blicken aufs Nichts wollen wir diese Reise mit einem Bootsausflug beenden.
Ein letzter Perspektivwechsel.
Weg vom Strand, raus aufs Wasser –
dorthin, wo die Küste nochmal anders wirkt:
felsiger, weiter, stiller.
Vielleicht gibt’s Höhlen, vielleicht einsame Buchten,
vielleicht einfach nur Wind im Gesicht und das Gefühl:
Jetzt passt’s.
The Great Chimera – Unser Bootsausflug entlang der albanischen Riviera
Wir buchen eine Tour mit dem Katamaran „The Great Chimera“ – schon der Name klingt nach Abenteuer.
Die Crew ist freundlich, das Boot solide und mit Schattenplätzen (!) – und wir starten früh.
Richtung Norden. Richtung Dhermi.
Was folgt, ist ein halber Tag Riviera-Gefühl – albanischer Stil.
Wir gleiten die Küste entlang, vorbei an steilen Felswänden, türkisblauen Buchten und verstreuten Traumstränden, die man nur per Boot erreicht.
Höhlen tun sich auf, geheimnisvoll, kühl und dunkel, andere Strände leuchten wie Werbefotos – aber ohne Photoshop.
Wir ankern immer wieder:
Baden, Schnorcheln, einfach nur staunen.
Das Wasser ist klar bis zum Grund, in den Höhlen hallt unser Lachen, und der Fahrtwind ist das Beste, was einem bei 34 Grad passieren kann.
Auf dem Rückweg kehrt Ruhe ein – man sagt weniger, schaut mehr.
Es war der perfekte Abschluss.
Nicht übertrieben, nicht künstlich – sondern genau richtig.
Ein bisschen Riviera, ein bisschen Abenteuer – und einfach ein guter Tag auf dem Wasser.
Albanien – wie unser Leben.
Ein Land voller Gegensätze –
so roh wie ein Felsen,
Nichts ist glatt, nichts bequem.
Aber alles echt.
So fühlt sich auch unser Leben an:
Abenteuerlich und anstrengend.
Erfüllt und erschöpft.
Von Licht durchzogen –
und manchmal kaum auszuhalten.
Wir tragen viel.
Mehr, als man sieht.
Aber auch mehr Liebe, mehr Klarheit,
mehr Mut als je zuvor.
Ich würde nicht tauschen.
Nicht mit einem einzigen Menschen.
Denn das hier ist unseres.
Unfertig. Ungeschönt.
Und wahr.