Zurück in Albanien – Eine Reise zwischen Geschichte, Gastfreundschaft und Gelassenheit
Nachdem wir voriges Jahr unsere Reise in Albanien plötzlich abbrechen mussten, starten wir dieses Jahr einen neuen Versuch – mit umso größerer Vorfreude. Drei Wochen Albanien sind geplant: vom wilden Norden und der Schönheit der albanischen Alpen bis hinunter an die Strände der Riviera. Dazwischen die bunte Hauptstadt Tirana, Berat, die Stadt der tausend Fenster, das malerische Gjirokaster und die Ausgrabungstätten Butrint und Apollonia.
Erster Stopp: Ston – Kleine Stadt, große Mauer
Unsere Anreise führt uns über Kroatien bis nach Ston, wo wir am Nachmittag ankommen. Und schon dieser Zwischenstopp entpuppt sich als erster Höhepunkt: die gewaltige Stadtmauer, die sich wie ein Miniatur-Großwall um die Hügel zieht, die charmante Altstadt mit ihren engen Gassen – und das Essen! Muscheln, Fisch, Wein – alles perfekt. Ein gelungener Einstieg.
Am nächsten Tag jedoch schlägt das Wetter um. Regen begleitet uns auf dem Transit durch Bosnien und Montenegro. Die Laune bleibt gut – immerhin wartet Albanien.
Die Sache mit dem Internet – oder: Wenn Technik lieber Urlaub macht
In Albanien angekommen, stoßen wir direkt auf ein altbekanntes Reisethema: Internet. Eine albanische SIM-Karte ist schnell besorgt, das Datenvolumen großzügig. Doch der mobile Router verweigert seinen Dienst. Im Handy läuft alles, aber sobald wir die SIM-Karte in den Router geben , beginnen die Probleme: Alexa schweigt beleidigt, der Drucker besteht auf sein gewohntes WLAN.
🛜 Reisen mit Internet – Wenn man unterwegs arbeiten muss
Früher sind wir einfach losgefahren. Kein Handy, kein GPS, kein Google Maps. Der Weg war das Ziel, die Landkarte lag auf dem Beifahrersitz, und die Raststätten waren noch Informationszentren, nicht bloß Schnellrestaurants. Heute? Unvorstellbar. Vor allem, wenn man unterwegs arbeitet.
Arbeiten auf Reisen: EU – kein Problem!
Innerhalb der EU ist mobiles Arbeiten auf Reisen mittlerweile fast ein Selbstläufer. Dank Roam like at Home surft man in Spanien oder Slowenien zu denselben Konditionen wie daheim in Österreich oder Deutschland. E-Mails beantworten in der Toskana, Zoom-Call aus dem Camper an der Côte d’Azur – alles kein Thema.
Aber wehe, es geht über die EU-Grenze hinaus …
Sobald man in ein Nicht-EU-Land fährt – sagen wir, Albanien, die Schweiz oder gar weiter nach Marokko oder Serbien – beginnt das Rechnen:
✔️ Wie viel Datenvolumen kostet wie viel?
✔️ Gibt es ein Tagespaket?
✔️ Oder gleich eine lokale SIM-Karte?
SIM oder eSIM?
Für Vielreisende lohnt sich oft die Investition in eine eSIM-fähige Lösung (z. B. Airalo, Holafly oder Nomad). Damit kann man digitale Datenpakete für fast jedes Land der Welt buchen – ohne physische Karte, direkt übers Handy. Oft günstiger und flexibler als der Kauf lokaler SIMs, aber: Man braucht ein kompatibles Gerät, und Telefonie ist nicht immer inkludiert. Wer viel telefonieren muss, greift besser zur klassischen Prepaid-Karte vor Ort – auch wenn das manchmal Geduld im Telecomshop erfordert.
Kein Netz = keine Kontrolle
Die größten Herausforderungen kommen zwischen den Netzen. Ein paar Stunden Transit durch ein Nicht-EU-Land ohne Internet können reichen, um aus dem digitalen Paradies in die Steinzeit zu kippen:
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Navigation: Google Maps braucht mobiles Internet für aktuelle Routen und Verkehrsdaten. Offlinekarten vorher herunterladen ist Pflicht – sonst steht man schnell am Pass ohne Ahnung, wo es weitergeht.
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Kreditkarten & Wechselkurse: Ohne Netz keine App, kein Live-Kurs – und im schlimmsten Fall keine Zwei-Faktor-Freigabe fürs Bezahlen oder Onlinebanking.
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Arbeiten? Fehlanzeige. Kein Hotspot, kein Upload, kein VPN. Da helfen nur vorausschauende Planung oder ein paar Stunden Digital Detox.
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Staumeldungen & Wetter: Wer ohne Internet reist, fährt oft ins Blaue. Und landet im Stau oder Unwetter, während die Einheimischen längst eine Ausweichroute fahren.
Back to the Roots – oder doch nicht?
Natürlich lässt sich vieles vorbereiten:
📥 Offlinekarten,
📄 PDF-Buchungsbestätigungen,
📊 lokal gespeicherte Präsentationen.
Aber die Wahrheit ist: Unser Reisestil hat sich verändert. Wir wollen flexibel sein – spontan den Ort wechseln, schnell eine Unterkunft buchen, unterwegs eine Rechnung schicken oder auf eine Whatsapp Nachricht reagieren. Ohne Netz ist das alles nicht mehr möglich. Und wer heute mit dem Laptop reist, ist auf stabiles, bezahlbares Internet angewiesen – nicht nur im Café mit WLAN, sondern auf der ganzen Strecke.
Fazit: Internet ist kein Luxus – sondern Voraussetzung
Was früher Abenteuer war, ist heute Stress: Kein Netz, keine Arbeit. Kein Netz, kein Geld. Kein Netz, keine Orientierung.
Wer also unterwegs arbeitet, muss das Thema Internet auf Reisen ernst nehmen – vor allem außerhalb der EU. Eine gute eSIM, Offline-Backups und
ein klarer Plan für Funklöcher machen den Unterschied zwischen „oh wie schön ist Albanien“ und „wo zum Teufel bin
ich hier und warum funktioniert nichts?“
Und ganz ehrlich: Wir dürfen uns ruhig daran erinnern, dass wir früher mit weniger unterwegs waren – aber auch mit weniger Verpflichtungen. Heute reisen wir nicht nur mit Koffer und Kamera, sondern mit Büro im Bus.
Lakeside Camping Shkodra – Ruhepol mit Seeblick
Unser erster längerer Stopp ist der Campingplatz Lakeside Shkodra – und der ist ein echtes Juwel. Wunderschön gepflegt, mit grünen Wiesen, schattenspendenden Bäumen und einem privaten Strand am Skutarisee. Es gibt ein Restaurant mit regionaler Küche, liebevoll eingerichtete Zimmer, und die sanitären Anlagen sind makellos – kaum irgendwo auf unserer Reise werden wir uns so wohl fühlen.
Kein Wunder, dass der Platz gut gebucht ist – er ist nicht nur ein idealer Ort zum Ankommen und Entspannen, sondern auch perfekter Ausgangspunkt für Touren in den albanischen Norden: ob nach Theth, in die albanischen Alpen, oder zum Koman-Stausee mit seinen spektakulären Bootstouren. Viele dieser Ausflüge werden direkt am Platz angeboten.
Shkodra – Ein Ort zwischen Vergangenheit und Vitalität
Shkodra selbst ist eine der ältesten Städte Albaniens – über 2.000 Jahre Geschichte atmet man hier bei jedem Schritt. Ihre Wurzeln reichen bis zu den Illyrern zurück, später kamen Römer, Venezianer, Osmanen. All das spürt man: in der Architektur, im Straßenbild, in der Mischung aus Verfall und Aufbruch.
In der Stadt selbst darf ein Besuch im Marubi Nationalen Fotomuseum nicht fehlen. Hier lagert ein unglaubliches visuelles Gedächtnis Albaniens: historische Porträts, Alltagsfotografie und seltene Momentaufnahmen aus über 150 Jahren. Wer das Albanien von gestern und vorgestern sehen will – hier ist der Schlüssel dazu. Überraschend modern kuratiert und technisch auf höchstem Niveau.
Rozafa – Die tragische Burg auf dem Felsen
Ein absolutes Muss ist der Besuch der Burg Rozafa, die hoch über der Stadt thront. Der Weg hinauf ist kurz, aber steil – und die Aussicht: atemberaubend. Von hier aus schaut man über den Skutarisee, auf das Dreiflussdelta, die Stadt – und bei gutem Wetter bis hinüber nach Montenegro.
Die Legende der Burg ist bekannt – und grausam: Drei Brüder bauen eine Burg, doch jede Nacht stürzt sie wieder ein. Erst als einer seine Frau Rozafa opfert und sie lebendig in die Mauer einmauert, bleibt sie stehen. Rozafa bittet darum, dass eine Brust, ein Auge, eine Hand und ein Bein frei bleiben – um weiter für ihr Kind da zu sein. Schade, dass es keine bessere Geschichte gibt – sie bleibt einem dennoch lange im Gedächtnis.
Blick auf die Bleimoschee
In der Ferne entdecken wir die Bleimoschee (Xhamia e Plumbit),
Seezeit – Ausspannen auf albanisch
Nach so viel Geschichte und Kultur war es Zeit für das Wesentliche: Nichtstun. Am See sitzen. Die Füße ins Wasser tauchen. Eine kalter Cocktail in der Hand. Boote beobachten, die gemütlich dahintuckern. Ein paar Kinder kreischen vergnügt beim Planschen, ihre Stimmen hallen über das Wasser, Lachen, Rufen, Spielen.
Wir hören zu – und lächeln. Unsere eigenen Enkelkinder sind erst fünf Monate alt, aber in diesen lebendigen, hellen Kinderstimmen schwingt schon eine Vorahnung mit. So wird es vielleicht einmal klingen, wenn sie größer sind, wenn sie selbst über einen Badesteg laufen, wenn sie rufen, lachen, ins Wasser platschen.
Und während die Sonne langsam hinter den Bergen versinkt, spüren wir diese leise Vorfreude – auf all die Momente, die noch kommen. Und auf das Glück, dass sie Teil unseres Lebens sind.
Theth – Insta-Ziel mit Asphaltanschluss
Noch vor wenigen Jahren war die Anreise nach Theth ein echtes Abenteuer. Wer das abgelegene Bergdorf in den albanischen Alpen erreichen wollte, brauchte zwingend ein Allradfahrzeug – und starke Nerven. Besonders die letzten 14 Kilometer nach dem Pass Qafa e Thores waren berüchtigt: eine staubige, steile Schotterstraße, eng, rutschig und mit spektakulären Tiefblicken nichts für schwache Nerven.
Heute wirkt die Strecke beinahe zahm. Die Straße ist nun durchgehend asphaltiert, und die Fahrt erinnert eher an den Loiblpass als an eine Offroad-Expedition. Damit wurde Theth endgültig vom Geheimtipp zum Publikumsmagnet: Mit dem Auto bequem erreichbar, zieht es nun nicht nur Wanderer, sondern auch Wochenendtouristen und Instagrammer in die wildromantische Bergkulisse – dorthin, wo einst die Zivilisation endete.
Theth – Zwischen Bergidylle und Baustellenrealität
Ich weiß gar nicht mehr genau, was ich eigentlich erwartet hatte. Vielleicht ein verschlafenes Bergdorf, ein paar traditionelle Steinhäuser, Stille. Stattdessen sind wir erst einmal vorbeigefahren – das Dorf war kaum als solches erkennbar.
Theth klafft wie eine offene Wunde in der Landschaft. Überall Baustellen, halb fertige Rohbauten von Ferienhäuschen, staubige Wege statt Asphalt. Die Dorfstruktur? Zersplittert. Keine klare Mitte, kein gewachsener Kern. Nur verstreute Höfe, eingerahmt von Schutt und Betonmischern.
Dazwischen: Tagestouristen. Viele. Mit Turnschuhen und Selfiesticks, unterwegs zum Wasserfall, der in etwa 40 Minuten zu Fuß erreichbar ist.
Theth ist nicht mehr das entlegene Dorf vergangener Jahre. Aber es ist auch noch nicht das fertige Ziel, als das es sich auf Instagram inszeniert. Es steckt irgendwo dazwischen – im Umbau, im Umbruch.
Aber jetzt wird’s lustig – zumindest im Nachhinein
Unser persönliches Highlight sollte jedoch noch folgen. Ich hatte die glorreiche Idee, einen Campingplatz anzusteuern. Einer, der angeblich „besonders schön gelegen“ ist. (Spoiler: Das stimmt – aus der Luft betrachtet.)
Also fuhren wir. Und fuhren. Und fuhren. Es ging steil bergauf. Dann steiler. Dann plötzlich richtig schlecht. Die Straße wurde zur Geröllpiste. Links Abhang, rechts Felswand. Kein Platz zum Wenden, kein Platz zum Zweifeln. Wir konnten nicht anhalten – aus Angst, dass wir nie wieder loskommen. Rückwärts fahren? Nur was für Menschen mit Lebensmüdigkeit und Vierradantrieb.
Und dann… kam das Schild:
„Campingplatz – 50 Meter rechts“
Haha. Sehr witzig, dachte ich, denn der „Weg“ nach rechts war in etwa das, was andere als mutwilligen Selbstversuch bezeichnen würden. Ich sagte zu
Gerhard:
„Bleib stehen. Ich geh zuerst runter und schaue mir das an.“
Gott sei Dank. Denn was ich unten vorfand, war ein verlassener Platz, verschlossen, verwachsen, verwunschen – aber leider ohne jegliche Wendemöglichkeit.
Der Moment der Wahrheit – oder: die Brücke des Grauens
Also zurück.
Und zwar über die Brücke.
Holzlatten, lose, schief, vermutlich noch aus der osmanischen Zeit. Ein Geländer nur zur Beruhigung der Mitfahrenden, keinesfalls tragfähig. Links Geröllfeld, rechts Bachbett. Gerhard fuhr zentimeterweise. Ich saß wie eingefroren. Das Handy blieb in der Tasche, meine Nerven irgendwo zwischen Voder- und Hinterrad eingeklemmt.
Nach einem nicht minder gefährlichem Wendemanöver standen wir zumindest wieder in die richtige Richtung, mit einem Adrenalinpegel, den andere erst beim Bungee-Jump erreichen.
Dass wir heil im Dorf ankamen, war ausschließlich Gerhards Fahrkunst zu verdanken. Danach konnte uns auch die chaotische Ortsdurchfahrt nicht mehr schrecken. Wir waren seelisch längst gezeichnet.
Theth hat doch noch ein Herz
Und plötzlich: Die Kirche.
Ein fotogenes Postkartenmotiv zwischen Kieswegen, alten Bäumen und, man glaubt es kaum – etwas Ruhe.
Schräg gegenüber: der Blutracheturm.
Ein steinernes Symbol des Kanun, des uralten Gewohnheitsrechts, das einst festlegte, wann und wie Blutrache geübt werden durfte – und wann nicht. Wer
gejagt wurde, konnte sich in solchen Türmen verschanzen. Wochen-, manchmal monatelang. Kein WLAN, keine Minibar – dafür Schutz vor der Verwandtschaft. Ein albanischer Klassiker.
Und dann: endlich Essen. Und ein bisschen Frieden.
Hungrig, staubig, überdreht – aber lebendig – fanden wir schließlich einem Restaurant. Escalope in Zitronensauce, kaltes Bier, freundlicher Blickkontakt. Es war fast wie Urlaub.
Übernachten durften wir im Garten eines Hauses. Das Besondere daran: Die Besitzer wohnten im Gartenhäuschen. Im Haupthaus: Gäste. Auch eine Form von Gastfreundschaft – oder Improvisation.
Wenn man einige Dinge ausblendet – etwa den Müll, die dünnen, verwahrlosten Katzen, das Jaulen der Hunde in der Nacht – dann war es: richtig idyllisch.
Die Art von Idyll, die man sich nicht ausdenken kann. Die einem einfach passiert. In Theth.
Fazit?
Theth ist ein Ort im Werden, ein Ort im Wanken – irgendwo zwischen Instagram-Fame und postkommunistischer Großbaustelle. Aber wer sich darauf einlässt, bekommt Geschichten fürs
Leben.
Und wenn’s brenzlig wird: Fahr nie ohne einen Gerhard.
Am nächsten Morgen ist die Entscheidung schnell gefällt: Wir reisen ab.
In der Nacht war es arschkalt – Der berühmte Wasserfall und das "Blaue Auge"? Gestrichen. Keine Lust auf touristische Pflichtübungen.
Also zurück. Auf demselben Weg.
Und plötzlich ist da Erleichterung – mit jedem Höhenmeter, den wir hinter uns lassen. Kaum sind wir wieder in Shkrodra, ist Theth schon eine ferne Erinnerung. Wir sind bereit fürs nächste
Abenteuer.
Nächstes Ziel: der Koman-Stausee.
Der Stausee entstand in den 1980er-Jahren – unter Enver Hoxhas kommunistischer Regie.
Man wollte Strom, Kontrolle, Fortschritt – und baute einen riesigen Betonkoloss in die albanischen Alpen: den Koman-Damm. Die Landschaft dahinter
wurde überflutet, ganze Täler verschwanden, neue Wasserwege entstanden.
Heute ist der Stausee nicht nur ein Kraftwerk, sondern auch eine Art alternative Autobahn für Menschen und Güter in dieser schwer zugänglichen Region.
Und für uns?
Eine willkommene Abwechslung - einfach nur sitzen, schauen, staunen. Und hoffen, dass die Fähre nicht überbucht ist.
Von Skroda nach Koman – oder: Warum man in Albanien keine Zeit, sondern Geduld mitbringen sollte.
Die Strecke sieht auf der Karte harmlos aus – ein paar Kilometer, ein paar Kurven. In der Realität: Schlaglöcher wie Krater, Baumaterial am Straßenrand, nicht durchgehend asphaltiert – und die Krönung:
Eine Kuh. Mitten auf der Straße. Sitzstreik. Punkt.
Die Navigation ist hier ein Witz. Google Maps schlägt 2 Stunden vor – realistisch sind eher 4 Stunden, wenn nicht gerade eine Ziegenherde
oder ein Bagger den Verkehr regelt.
Aber: Die Landschaft ist dramatisch schön. Die Straße schmiegt sich eng ans Tal, der türkisgrüne Stausee glitzert zur Linken, und irgendwo zwischen Kuh und Geröll denkt man: Irgendwie passt das alles.
Ankunft in Koman – endlich.
Nach einer Fahrt, die sich eher wie eine Etappe der Rallye Dakar anfühlt, erreichen wir den kleinen Ort am Ende der Welt – Koman. Campingplatz
gefunden, schnell aufgebaut. Für eine Nacht zum Warten auf die Fähre? Völlig in Ordnung.
Aber dann: Zoom-Meeting. Wichtig. Zwei Nächte.
Wir fügen uns dem Schicksal. Und machen das Beste daraus.
Das Beste? Der Blick auf den Stausee.
Ruhe, Wasser, Berge – fast meditativ. Wenn man den Müll am Straßenrand, die lauten Gespräche des Campingplatzbetreibers und das Fleisch auf seinem Grill ausblendet. Das Bratgut sieht uns nicht
an. Wir kochen selber (Dosensuppe? Pasta mit Dosenfisch? Interpretationsspielraum bleibt).
Das Fährticket kaufen wir direkt beim Platzbetreiber – für 100 Euro.
Nicht ganz günstig. Aber immerhin müssen wir dafür nicht noch irgendwo hinfahren, fragen, hoffen, gestikulieren. In Albanien ist das manchmal
schon Luxus.
Endlich: Fährtag.
6.30 aufstehen – motiviert. Die Fähre fährt um 9.00 wir wollen um 7:30 dort sein. Klingt nach einem Plan. Doch dann: der Kühlschrank streikt. Zumindest, wenn man ihn mit Gas betreiben möchte. Gerhard schraubt, prüft, flucht leise. Die Zeit verrinnt.
Wir fahren als Letzte vom Campingplatz.
Perfektes Timing. Die Anfahrt zur Fähre führt durch einen Tunnel, der eher an eine Mischung aus Bergwerk und Horrorfilmset erinnert. Feucht,
dunkel, eng. Dann: „Hafen“. Gänsefüßchen ausdrücklich nötig.
Was uns erwartet: Chaos.
Unzählige Fahrzeuge. Wohnmobile, Lieferwagen, Lieferanten, die Diesel, Brot und Cola auf Boote werfen. Busse, die Touristen ausspucken. Stimmengewirr, keine Ansagen, keine Reihenfolge. Wir werden
zur Seite gestellt und müssen warten.
Punkt 9.00 Uhr dürfen wir als Letzte auf die Fähre. Rückwärts. Natürlich. Dann endlich: Leinen los.
Wir sind auf dem Wasser. Der Koman-Stausee zeigt sich von seiner besten Seite – und plötzlich macht alles Sinn.
Die Überfahrt selbst ist erstaunlich schön.
Das Wasser schimmert smaragdgrün, die Felsen ragen dramatisch in die Höhe, und die Fähre gleitet gemächlich durch eine Landschaft, die fast wie Norwegen wirken will – wäre da nicht der Müll.
Plastikinseln treiben zwischen den Felsen, stille Zeugen des albanischen Pragmatismus.
Nach 2,5 Stunden erreichen wir Fierza.
Endstation. Alle steigen aus, alle fahren nach Valbona – zum Wandern, natürlich.
Denn wer in Albanien ist, muss nach Valbona.
Luftlinie übrigens: ein Steinwurf von Theth entfernt.
Nur blöd, dass dazwischen keine Straße ist.
Nur Berge.
Wir haben genug von Bergen.
Wandern? Aussicht genießen? Nein danke. Jetzt soll’s Richtung Tirana gehen. Also: Navi an. Los geht’s.
Doch plötzlich stehen wir – vor der Grenze zum Kosovo.
Kosovo?!
Stand nicht im Plan. Aber offenbar der kürzeste Weg. Oder sagen wir: die schnellste Abkürzung mit bürokratischer Überraschung.
Zwei Optionen:
→ Durch den Kosovo: 2 Stunden gespart, dafür Grenzübertritt und Versicherung
abschließen.
→ Zurück über die albanischen Bergstraßen: Serpentinen deluxe, 2 Stunden on top.
Wir entscheiden uns für den Kosovo.
Die Versicherung kostet 15 Euro. Irgendwie.
Ein Bürocontainer, ein Mann, ein Formular. Alles geht. Balkan-Style.
Und ehe wir uns versehen, sind wir im Kosovo.
Der Kosovo überrascht.
Breite Straßen, gepflegte Orte, alles wirkt geordneter als auf albanischer Seite. Keine Schlaglöcher, keine Kühe, keine Müllberge.
Man hat fast das Gefühl: Hier passiert was.
Ein Aufschwung liegt in der Luft – sichtbar, spürbar.
Nach etwa zwei Stunden erreichen wir wieder die albanische Grenze – diesmal ganz ohne Drama.
Kein Versicherungsformular, keine Diskussion.
Einfach durch – und plötzlich sind wir auf der Autobahn Richtung Tirana.
Tirana? Plötzlich keine Lust mehr.
Die Vorstellung, uns durch mehrspurige Kreisverkehre zu kämpfen, vertreibt jede Stadtsehnsucht.
Keine Bergstraße dieser Welt ist so nervenaufreibend wie ein zweispuriger Kreisverkehr in
Albanien.
Manchmal hat man das Gefühl, es sitzen Schimpansen am Steuer.
Kein Blinken, kein Zögern – einfach Gas geben und hoffen, dass der Stärkere gewinnt.
Blinker gelten als Dekoration, Zebrastreifen als Vorschlag.
Verkehrsregeln? Allenfalls Empfehlung.
Kruja
Eine goldrichtige Entscheidung. Die Stadt liegt malerisch an den Hängen des Skanderbeg-Gebirges – klein, übersichtlich, wunderbar
altmodisch.
Die Altstadt: verwinkelt, liebevoll gepflegt, mit einer imposanten Burg und einer Basarstraße, die fast schon kitschig schön ist. Zwar lauter
Ramsch, aber echtes Flair.
Der Campingplatz Mali liegt etwas oberhalb – mit Pool, Aussicht und einem Besitzer, wie man ihn sich wünscht: freundlich, hilfsbereit, überraschend gut Deutsch sprechend.
Er kann kaum fassen, dass wir mit sooo einem alten Fahrzeug unterwegs sind.
Er lacht, wir lachen mit – der Charme unseres rollenden Klassikers funktioniert eben auch in Albanien.
Nach Tagen voller Serpentinen, Kühlschrankdrama und Kreisverkehrsschimpansen ist Kruja wie ein kleiner Sieg.
Ankommen. Durchatmen. Und einfach mal nichts müssen.
„Herzlich willkommen in der Touristenpreiszone“
Der Besitzer des Campingplatzes organisiert uns ein „Taxi“ in die Altstadt.
800 Meter wären es zu Fuß – aber bergig, und für Gerhard schlicht nicht machbar.
Das „Taxi“ entpuppt sich als irgendein Cousin mit Auto.
5 Minuten Fahrt – hin und zurück – 20 Euro.
Kein Taxameter, kein Bon – nur ein Preis, der einfach mal genannt wird. Und bleibt.
Wir nehmen es wie immer sportlich.
Aber ein kleiner Stich bleibt:
Es ist nicht der Betrag – es ist das Gefühl, übers Ohr gehauen zu werden.
Die Liste wächst:
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Wäsche waschen: 5 Euro
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Autowäsche: 7 Euro
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Parkplatz (2 Stunden): 10 Euro
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Campingplatz: 30 Euro
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Achtel Weißwein: 4 Euro
Langsam wird’s unverschämt.
Man fragt sich unweigerlich:
Tun sie sich langfristig damit wirklich einen Gefallen?
Was als günstiges Abenteuerland begann, kippt langsam in Richtung Touristenmelkmaschine.
Schade. Denn Albanien hätte das gar nicht nötig.
Der Abend in Kruja versöhnt.
Wir spazieren durch die Basarstraße – Kopfsteinpflaster, Teppiche, Kupferkessel, Souvenirträume.
Irgendwann landen wir in einem Restaurant, das auf den ersten Blick nicht viel verspricht.
Schon beim Hinsetzen beschleicht mich ein ungutes Gefühl.
Zu leer, zu touristisch, zu... irgendwas.
Dann tritt der Kellner auf.
Vielleicht elf Jahre alt.
Perfektes Englisch, höflich, professionell, charmant. Keine Spur von Unsicherheit – nur ein Hauch Geschäftssinn im Blick.
Und siehe da: Das Essen
Schisch Kebab und knuspriges frisch gebackenes albanisches Brot – serviert mit warmem Joghurt.
Einfach. Genial. Unvergesslich.
Danach ist es leider schon finster.
Die Burgbesichtigung muss ausfallen. Aber vielleicht ist das auch gut so.
Manchmal reicht ein gutes Essen, um den Tag zu retten.
Am nächsten Tag: Büro bis 12.00 Uhr – dann Aufbruch.
Unser Ziel: Pa Emer.
Dort hat unsere letzte Albanienreise geendet.
Und für mich bedeutet es viel, genau jetzt, wieder dorthin zurückzukehren.
Ich hoffe, es ist noch genauso wie im letzten Jahr.
Die kleine Halbinsel, das klare Wasser, der Blick aufs Meer, das Licht am Abend und der Sonnenuntergang.
Und vielleicht – ganz vielleicht – wird es das wieder.
Ein Stück Vertrautheit in einem Land voller Überraschungen.
PA EMER - „Zwischen Erinnerung und Erwartung“
Der Campingplatz Pa Emer ist ein Ort…
… den man kaum beschreiben kann, ohne kitschig zu klingen. Und ja – es ist immer noch genauso schön wie damals.
Wir finden den perfekten Stellplatz – mit Blick aufs Meer, Schatten, Ruhe.
Dann ein Cocktail, auf der kleinen Insel, die nur über einen schmalen Holzsteg erreichbar ist.
Unsere Nachbarn sind nett, die Stimmung entspannt, niemand drängelt, niemand lärmt.
Hier wollen wir bleiben.
Ein paar Tage. Vielleicht mehr. Einfach, weil es sich genau richtig anfühlt.
Perfekt ist nichts in Albanien. Auch Pa Emer nicht.
Im Vorjahr war das Restaurant auf der kleinen Insel ein echtes Highlight – heuer leider nicht mehr.
Am Abend: kaum Gäste, leere Tische, obwohl die Lage eigentlich ein Selbstläufer wäre.
Die Speisekarte: dünn. Die Bedienung: unsicher, freundlich, aber völlig überfordert. Englisch?
Minimal.
Wir lachen herzlich, als unser Nachbar – neugierig nach seinem Fisch – fragt, ob es Dorade oder etwas anderes sei.
Die Antwort der Kellnerin:
„It’s a fish from the water.“
Treffend. Allgemein. Irgendwie philosophisch.
Der Fisch war tatsächlich aus dem Wasser.
Allerdings auch ziemlich klein – und ziemlich teuer.
Aber das kennen wir ja schon.
Wenigstens hatten wir gleich Gesprächsstoff mit den Nachbarn –
und wieder so eine typische Albanien-Szene, die man nicht vergisst.
Zwischen Sonnenuntergang und Sprachbarriere – irgendwo zwischen herrlich und hilflos.